Batre ist Metallbauer bei der Schlosserei Schmidt in Baiersdorf. Der 24-Jährige kommt aus Äthiopien und sprach bis zu seiner Ankunft in Deutschland 2015 kein Wort Deutsch. Alles war neu, fremd und ungewohnt: Die Sprache, die Menschen und auch die Kälte im Winter. Er habe Angst, gehabt, dass die Leute ihn hier nicht haben wollen, gibt er zu. Doch schon an seinem ersten Tag in Baiersdorf kamen Ehrenamtliche vom Verein »Hand in Hand« auf ihn zu, zeigten ihm alle wichtigen Anlaufstellen in der Stadt und das Beratungsbüro der Diakonie Erlangen in seiner Unterkunft.
Emsig besuchte Batre die Deutschkurse, die der Verein in seiner Unterkunft anbietet. Das war die Basis für alle weiteren Erfolge: Schon 2016 konnte er in der Berufsintegrationsklasse anfangen. Auf ein Praktikum bei der Schlosserei Schmidt in Baiersdorf folgte eine Ausbildung als Metallbauer und schließlich die Festanstellung im Familienbetrieb Schmidt. »Bedenken waren natürlich da«, erinnert sich Firmenchef Peter Schmidt. Dass Batre die Ausbildung sprachlich nicht schaffe oder abgeschoben werde. In der Tat hat die Lehre den gebürtigen Äthiopier viel Kraft gekostet: In seiner Gemeinschaftsunterkunft fand er kaum Ruhe, um zu lernen oder vor seinen Arbeitstagen früh schlafen zu gehen. Dennoch schaffte Batre sein Pensum und zerstreute die anfänglichen Bedenken seines Chefs. So wuchs aus Offenheit gegenseitiges Vertrauen. »Jeder Mensch ist doch in einem anderen Land ein Fremder«, meint Schmidt.
Mit der Hilfe seines Chefs und dessen Familie hat Batre inzwischen eine eigene Wohnung gefunden. Mit deutschen und äthiopischen Freunden*innen geht er wandern und klettern, ins Theater und feiert Ramadan.
Trotzdem bleibt die »Angst vor der Zukunft«, denn Batre weiß nicht, wie lange er noch in Deutschland arbeiten darf. Sein Antrag auf Asyl wurde abgelehnt. Für jeden Schritt, den er tut, braucht er eine Erlaubnis vom Ausländeramt – für Arbeit, Umzug, Fahrschule und so weiter. Die Diakonie begleitet ihn auf diesem Weg – und durch die Sorgen, wie es mit ihm und seiner in Äthiopien wartenden Frau weitergehen wird.
Diakonie Erlangen und »Hand in Hand«
Alexandra Bendrich von der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie Erlangen kümmert sich um etwa 200 Menschen aus mehreren Gemeinschaftsunterkünften im Erlanger Umland. Seit über 25 Jahren arbeitet die Sozialpädagogin mit Migranten*innen. »Kein Fall gleicht dem anderen, kein Mensch gleicht dem anderen«, so die 52-Jährige. Manchmal gingen die geschilderten Schicksale ganz schön an die Nieren. Die sich ständig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen erschweren die Arbeit. »Man muss sich immer wieder fortbilden und sehr flexibel auf Änderungen reagieren.« Dabei seien die Geflüchteten nicht nur von immer neuen Regelungen betroffen, sondern auch von der schwankenden Stimmung in der Bevölkerung.
Bendrich und der Flüchtlingshilfeverein »Hand in Hand« aus Baiersdorf wollen in dieser Situation Verlässlichkeit schaffen. »Wir informieren uns gegenseitig, wenn wir Probleme und Unterstützungsbedarf sehen.« Nicht nur untereinander auch innerhalb der Gemeinde haben die Flüchtlingshelfer*innen ein enges Netzwerk geknüpft. Sprachkurse, Kindergarten-, Schul-, Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Nachhilfe, Wohnung, Führerschein, Juristen*innen, Ärzten*innen, Psychotherapien, Ämterangelegenheiten, Familiennachzug – um all das in den Griff zu bekommen, braucht es viel Wissen und eben auch Vitamin B. Carmen Wurm von »Hand in Hand«: »Ohne Alexandra Bendrich kämen wir ganz oft nicht weiter. Sie hat das nötige Fachwissen in vielen Bereichen«. Ob freiwillig oder hauptamtlich engagiert – eines verbindet dabei alle: »Wir machen das aus Überzeugung, das ist mehr als nur ein Job«, so Bendrich.
»Ich möchte dafür sorgen, dass die Geflüchteten hier eine gerechte Chance bekommen«, sagt die 52-Jährige. Insgesamt zehn jungen Äthiopiern aus Baiersdorf konnte Bendrich und der Helferkreis zu einer Lehrstelle verhelfen. Und auch viele irakische und syrische Flüchtlinge haben es inzwischen zu Wohnung, Ausbildung oder Job geschafft.
Integration ist schwer messbar
Was gelungene Integration ist, könne man nicht verallgemeinern, meint Alexandra Bendrich. Es komme immer auf den Ausgangspunkt an. Eine Erfolgsgeschichte sei etwa, wenn es eine Frau schaffe, sich aus einer unglücklichen Ehe zu befreien und in kleinen Schritten selbständig werde. Oder wenn Einheimische und Geflüchtete sich gegenseitig unterstützen – im örtlichen Fußballteam oder bei den benachbarten Senioren*innen im Garten.
Im Gegensatz zu den 2015 eingereisten Syrern*innen hätten etwa junge Äthiopier*innen nie einen offiziellen Sprachkurs besuchen dürfen, der doch die Voraussetzung für einen Schulabschluss oder eine Arbeitsstelle ist. Was der 24-jährige Batre geschafft habe, sei deshalb nicht nur ein Integrationserfolg, sondern Ergebnis seines enormen Fleißes und Durchhaltevermögens, meint Bendrich.
Vertrauen hilft durch Corona-Zeiten
Denjenigen, die eine Arbeit hätten, ginge es jetzt relativ gut. »Sie haben eine Aufgabe und können der Enge der Unterkünfte entfliehen.« Für andere, die nicht arbeiten dürften, sei die Situation nicht so viel anders als vor der Krise. Sie müssten zum Teil schon seit Jahren mit der Isolation zurechtkommen. Andere hätten aber auch Angst wegen des engen Zusammenlebens in den Unterkünften, meint Carmen Wurm. Bendrich hofft, dass die Integrationsarbeit nicht »der Corona-Sparkeule« zum Opfer fällt.
Neues Beratungsangebot in Möhrendorf
Seit Anfang des Jahres ist Alexandra Bendrich auch zuständig für die Gemeinschaftsunterkunft in Möhrendorf. Nach der Insolvenz des ASB im Landkreis ist dieser aus der Flüchtlingsarbeit ausgestiegen, sodass zahlreiche Gemeinden nicht betreut waren. Die Diakonie Erlangen hat diese Lücke wieder gefüllt. Es liege viel Arbeit vor ihr, sagt die Sozialpädagogin.