Rund 370 Menschen leben derzeit in Erlangen in einer städtischen Verfügungswohnung. Im Rahmen eines Projektes arbeiten zwei Sozialpädagoginnen der Diakonie Erlangen daran, die Lebens- und Wohnsituation älterer Bewohner*innen zu verbessern. Wieder eine Arbeit zu finden, ist in vielen Fällen aussichtslos. Die Bedarfe liegen anderswo: Die Mitarbeitenden unterstützen ihre Klienten*innen bei gesundheitlichen Problemen, bei der Suche nach eigenem Wohnraum und einer Beschäftigung. Sie helfen ihnen auch, den Alltag zu strukturieren und die Freizeit zu gestalten. Gemeinsam wird versucht, neue Perspektiven zu entwickeln und die Lebensqualität zu erhöhen.
Durch die Krankheit ausgebremst
Holger Grube (Name geändert) ist einer der Klienten*innen des Projektes. Sein Zuhause schön zu haben, ist dem 59-Jährigen wichtig, auch wenn es nur vorübergehend ist. Gerne möchte er die Wände neu streichen, aber aus gesundheitlichen Gründen wäre eine Spezialfarbe nötig – und die ist teuer. In seinem Allergieausweis findet sich eine lange Liste an Stoffen, auf die sein Körper stark reagiert. »Wegen der Kontaktallergie kann ich zum Beispiel auf meinem PVC-Boden nicht barfuß gehen«, erklärt er. Die Krankheit erschwert nicht nur den Alltag, sondern hat auch dazu beigetragen, dass Grube keine Arbeit mehr gefunden hat.
Auf einmal war der Überblick weg
Gerne hätte der gebürtige Erlanger nach der Schule eine Lehre gemacht. Sein Stiefvater, ein Trinker, habe es ihm verboten, erinnert sich Grube. Mit Unterstützung des Jugendamtes zog er damals aus, in eine eigene Wohnung, und begann zu arbeiten.
»Fünf Jahre lag meine Frau im Koma« erzählt er. Schon zuvor hatte er seinen Job aufgegeben, um sie zu pflegen – so war es vereinbart. Nach ihrem Tod habe er den Überblick verloren. Die Trauer im Alkohol ertränkt. Dazu kamen Schulden, die sich über die Jahre aufgestaut hatten. Eine Situation, in der er nicht mehr zurechtkam. Bei der Stadt vermittelte man ihm einen Platz in einem Männerwohnheim. Die Sozialpädagogen*innen hätten ihm damals sehr geholfen, auch mit Gesprächen – obwohl das Sozialamt enorm ausgelastet ist.
Probleme gemeinsam anpacken
Babette Brokmeier arbeitet gemeinsam mit ihrer Kollegin Marianne Warnke in dem Projekt der Diakonie. »Unsere Arbeit ist auch eine Entlastung für die Ämter«, erklärt die Sozialpädagogin. Denn sie bringt mehr Zeit mit, um Dinge in Ruhe zu besprechen. »Lebensqualität darf keine Altersgrenze haben«, sagt sie ganz klar. Seit Oktober letzten Jahres kommt Brokmeier ein- bis zweimal die Woche bei Grube zu Besuch. Gemeinsam schauen sie z.B. die Post durch, bearbeiten und ordnen Unterlagen. Vor einer Weile wurde bei dem 59-Jährigen eine Herzkrankheit festgestellt. Auch bei den Ärzten*innen unterstützt ihn Babette Brokmeier. »Sie begleitet mich«, erklärt er, »darüber bin ich sehr froh«.
Leben von einem Tag auf den anderen
Große Sprünge kann Grube nicht machen, dafür reichen Sozialhilfe und Witwerrente nicht aus. »Man muss genau schauen, was man kauft«, sagt er, »es ist schon auch ein Kampf«. Er lebe von einem Tag auf den anderen. Die Hoffnung, mithilfe der Diakonie irgendwann wieder in eine eigene Mietwohnung zu ziehen, ist aber noch nicht verloren. Noch bis November ist die Unterstützung von Babette Brokmeier bewilligt.
Das Projekt
Das Projekt "Schaffung neuer Lebensperspektiven für ältere in ‚verfestigter Obdachlosigkeit‘ lebende Menschen in der Stadt Erlangen" wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Die Mitarbeitenden arbeiten eng mit dem Sozial- und Wohnungsamt der Stadt Erlangen zusammen.
Projekt für ältere Menschen in Wohnungsnot