Kirche, die zu einem kommt
»Geteilter Glaube – geteilte Klage« sagt Dorothee Tröger, denn auch sie könne Gott manchmal nicht verstehen. Allein ihr Amt als Pfarrerin bewirke aber, dass man über Sinnfragen reden könne. Die Brücke zwischen Kirchengemeinden und Diakonie als tätiger Kirche ist ihr wichtig. Neben jenen, die regelmäßig in ihre Gottesdienste kommen und solchen, die mit Glaube nicht viel zu tun haben, hat sie es auch mit Menschen zu tun, die der Kirche skeptisch gegenüberstehen. Wenn es heißt »Na endlich kommt mal einer«, empfindet Tröger das als Chance. Sie sieht sich als »Kirche, die zu einem kommt«. »Na Ihnen kann ich’s ja sagen«, hört sie etwa von Menschen, die in Konfliktsituationen stecken – mit anderen oder sich selbst. Auch Scham spiele eine große Rolle, wenn es darum geht, über Persönliches zu sprechen. Es komme nicht selten vor, dass in Familien manche nicht mehr miteinander sprechen. Wenn die Fronten festgefahren sind, bietet Tröger an, Familiengespräche zu begleiten. Als Seelsorgerin kennt sie oft beide Seiten, aber sie ergreift dann nicht Partei, sondern setzt sich dafür ein, dass sich beide Seiten gehört fühlen. Sie wäre gern öfter Mittlerin innerhalb der Familien oder zwischen Angehörigen und Mitarbeitenden. »Aber darauf müssen sich alle Beteiligten einlassen.«
Dorothee Tröger unterliegt als Pfarrerin der Schweigepflicht. Gerade für Mitarbeitende sei dieser Schutz wichtig: »Sie können ihre Emotionen einfach über mir auskippen ohne Sanktionen befürchten zu müssen«, das schaffe Vertrauen. »Meistens äußern sie sich erst vorsichtig«, stellt Tröger fest, »da fordere ich sie auch mal heraus, ihrem Ärger oder ihrer Überforderung richtig Luft zu machen«. Denn es ist wichtig, sich manches von der Seele reden zu können.
Nochmal richtig leben
Politische Diskussionen zur Situation in der Pflege beobachtet Tröger laufend. Den Grundsatz »ambulant vor stationär« sieht sie kritisch. Die Senioren*innen seien in den Pflegeeinrichtungen größtenteils viel besser ins Leben und die Gemeinschaft eingebunden als zu Hause. Die Pflegekräfte seien gut ausgebildet, kompetent und erfahren. »Das wird von der Politik krass ignoriert. Manche Menschen blühen durch die Betreuung hier richtig auf«. »Die Menschen können hier nochmal richtig leben«, das hat sie oft erlebt. »Und weil die Angehörigen von der Pflege entlastet werden, können sie dann für die schönen, besonderen Momente rundherum sorgen«, weiß Tröger.
Abschied nehmen
Die körperlichen Berührungen in der Pflege sind oft funktionell. »Wenn ich jemandem einen Segen gebe und die Hand auf den Kopf lege, ist das eine ganz andere Berührung«, so Tröger. Wenn ein Mensch verstirbt, den sie begleitet hat, bietet sie eine Aussegnung an, einen Segen auf der Schwelle: »Ein letzter Liebessegen«, wie sie sagt. Auch für Angehörige ist ihre Anwesenheit in der Sterbephase und nach dem Tod eines geliebten Menschen eine Stütze. Manche merken da erst richtig: »Die hat die Oma echt gemocht und gekannt«. »Kirche ist da«, sagt Tröger, »in der Diakonie.«
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