Diakonie Magazin 2020/Nr. 1 herunterladen

Zwei ältere Männer sind im Außenbereich der Diakonie Sophienstraße. Ein Mann sitzt im Rollstuhl, der andere steht neben ihm. Hinter den beiden befindet sich eine Bank und eine große Birke. Zwei ältere Männer sind im Außenbereich der Diakonie Sophienstraße. Ein Mann sitzt im Rollstuhl, der andere steht neben ihm. Hinter den beiden befindet sich eine Bank und eine große Birke.

»Die Hauptsache ist, wir sind angekommen«, so Scherzer.

Damit meint er nicht nur seine Heimatstadt Erlangen, sondern auch einen letzten friedlichen Ort, an dem er menschliche Wärme erlebt und er eine alte Freundschaft wiedergefunden hat.

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Gesucht und gefunden ANNA THIEL

32 Ehrenamtliche und fünf Hauptamtliche im Alter von 22 und 83 Jahren nehmen Spenden an, sortieren die Ware und räumen Regale ein, damit der Betrieb rund läuft. Alle packen mit an, so gut sie können. Viele mögen ihre ehrenamtliche Tätigkeit auch deshalb so gerne, weil sie so unter Leute kommen. »Wir sind eine wirklich gute Gemeinschaft«, so Monika Köhler, Leiterin der Einrichtung, »deshalb mag ich die Fundgrube auch so gerne«.

Schon seit 13 Jahren ist Katharina Bäumel dabei. Die 80-Jährige half schon bei der Fundgrube, als diese noch in der Raumerstraße untergebracht war und sie nur zu fünft im Team waren. Die gebürtige Rumänin arbeitete früher in einem Kindergeschäft. »Hier räume ich jetzt Kindersachen ein«, erklärt sie, »dafür hab‘ ich meine eigene Ecke«. Sie mag ihre Arbeit, weil sie so noch etwas Gutes für andere Menschen tun kann. Außerdem komme sie so mit Leuten zusammen. Zuhause kümmere sich ihre Tochter und deren Enkelin um sie, die meiste Zeit sei sie dort aber alleine.

Vier ältere Mitarbeitende stehen im Zwischenlager der Fundgrube. Hinter ihnen sind Regale und Kisten voller Kleidungsstücke und Kuscheltiere.

v.l. Birgit Windsheimer, Katharina Bäumel, Erika Basel, Charlotte Rollmann im Zwischenlager der Fundgrube.

»Wir sind ein gutes Team«, betont Charlotte Rollmann. Die 82-Jährige ist wie Katharina Bäumel schon seit 13 Jahren bei der Fundgrube. Mit zwei Söhnen und einem Halbtagsjob bei Siemens war sie früher gut beschäftigt. Deshalb habe sie auch nach einer sinnvollen Tätigkeit gesucht, bei der sie weiterhin raus komme, denn »das braucht man, wenn man älter ist«. Es gebe ihr ein gutes Gefühl, einen Beitrag zu leisten für die Menschen, denen es nicht so gut geht. Man merke dadurch, dass man noch gebraucht werde. »Hier in der Fundgrube haben
wir es lustig«, erzählt Rollmann, »aber wir machen auch mal privat etwas zusammen«. Vor allem mit denen, die daheim, wie sie, alleine sind. Dann geht es zum Beispiel gemeinsam ins FiftyFifty Theater. »Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen«, und Lachen sei sowieso die halbe Miete.

Erika Basel ist 79 Jahre alt und auch sie schätzt die Gesellschaft. Sie findet, »alleine zuhause zu sein ist langweilig«. Erika Basel war immer berufstätig, erst als Fotolaborantin und später bei Siemens. Früher habe sie in der Raumerstraße häufig Spenden abgegeben. »Seit meiner Rente habe ich Zeit und helfe selber mit, inzwischen seit neun Jahren.« Das sei gut, um sich nicht nutzlos zu fühlen. Sie wäscht nicht nur die Wäsche, z. B. Handtücher und Bettbezüge, für die Fundgrube, sondern häkelt auch Topflappen in Handarbeit aus der gespendeten Wolle. Einmal die Woche ist sie in der Fundgrube vor Ort. Auch sie stimmt zu: »Wir verstehen uns alle sehr gut.«

Einen ganz anderen Weg zum Ehrenamt hat Birgit Windsheimer gefunden. Die 57-Jährige ist seit April 2018 im sogenannten engagierten Ruhestand. Das bedeutet, dass sie ihre vorige Arbeit mit 55 Jahren beenden konnte und keine Abzüge in der Vorrente zu befürchten hat, vorausgesetzt, sie bringt sich noch 1000 Stunden für einen sozialen Zweck ein. Die schaffe sie in 2020 locker, aber sie werde auch anschließend bleiben, ist sie überzeugt: »Ich wurde so herzlich aufgenommen, als wäre ich schon immer da.« So viel Wertschätzung, wie sie bei der Diakonie erfahre, habe sie vorher nicht gekannt. »Wir interessieren uns wirklich füreinander, unternehmen etwas oder telefonieren, das macht es so rund und so schön.« Sie sei dadurch auch wieder viel offener anderen Menschen gegenüber geworden, als sie es vorher war. Zum einen Teil ist sie im Laden tätig, wo sie mit manchen Kunden*innen auch mal ein paar Worte wechselt. Besonders viel gebe ihr aber die Spendenannahme: »Da geht mein Herz auf.« Auch wenn sie am Abend geschafft sei, gebe ihr die Fundgrube Erfüllung.

 Zur Fundgrube

 


Gesegnet und startklar, unsere »Neuen«

Neunundzwanzig Personen stehen im Altarraum einer Kirche. Im Hintergrund ist eine Orgel. Neunundzwanzig Personen stehen im Altarraum einer Kirche. Im Hintergrund ist eine Orgel.

Eine glückliche Partnerschaft Anna Thiel

»Ich dachte anfangs, sie wäre ein bisschen eingebildet«, gesteht Marco Heidig und muss lachen. Denn dann ging alles ganz schnell. Keine zehn Wochen hatte es gedauert, dass die beiden sich in einer Liebesbeziehung wiederfanden – zunächst einmal heimlich, denn auch sie war ein wenig misstrauisch: »Ich hatte schon bedenken, weil wir ja nicht Kollegen auf der gleichen Ebene waren.« Marco Heidig wechselte 2016 von einer anderen Diakoniestation als stellvertretender Leiter nach Uttenreuth. »Die Kollegen haben es aber schnell gemerkt«, erinnert sich der 37-Jährige schmunzelnd, »und sich gefreut«. Natürlich müsse man im Dienst genauso wie zu den anderen sein, »bevorzugen geht nicht«. Seit der Hochzeit wissen es auch die Patienten*innen.

Eine Frau und ein Mann stehen engumschlungen vor der Wand eines Fachwerkhauses.

HILDRUN UND MARCO HEIDIG

Beim Ambulanten Dienst in der Diakoniestation Uttenreuth haben sie sich vor drei Jahren kennen und lieben gelernt. Seit vergangenem Herbst sind sie ein Ehepaar.

Hildrun Heidig arbeitet seit ihrem 17. Lebensjahr in der Pflege. Am Universitätsklinikum Erlangen war sie Krankenschwester, bevor sie 2014 zum Ambulanten Dienst kam. Die Arbeit hier gefällt ihr sehr gut, weil man mehr Zeit mit den Patienten*innen verbringt und oft über Jahre hinweg eine gute Beziehung zueinander aufbaut. »Das Menschliche spielt hier eine große Rolle.« Teilweise hat das Ehepaar gemeinsame Patienten*innen. Natürlich müsse man schauen, dass man Arbeit und Privates trennt. Manchmal sei es aber auch schön, sich auszutauschen über das, was tagsüber passiert ist. Im Augenblick betreuen sie dreimal am Tag einen Krebspatienten; er ist erst Anfang 50. »Das ist natürlich auch emotional herausfordernd«, stellt Marco Heidig fest, »aber der Patient und seine Angehörigen sind so happy, dass er daheim gepflegt werden kann«. Es sei ja auch ein Zeichen, wenn man den Beruf schon so lange macht: Bereits als »Zivi« war er in der Diakoniestation Mitte und blieb daraufhin für die Ausbildung zum »Alten- und Krankenpfleger«. Auch Hildrun Heidig geht jeden Tag gern in die Arbeit: »Ich lieb‘ meinen Beruf wieder, seit ich bei der Diakonie bin.« Besonders viel Spaß macht ihr die Praxisanleitung, also die Ausbildung der zukünftigen Alten- und Krankenpfleger*innen.

Dass sie in Uttenreuth nicht nur eine erfüllende Arbeit, sondern auch eine glückliche Partnerschaft finden, hatten Hildrun und Marco Heidig nicht zu träumen gewagt.

Zum ambulanten Pflegedienst der Diakonie AKTIV

 


Eine alte Freundschaft Anna Thiel

Willi Scherzer ist 93 und lebt im Pflegeheim. Seit einer Beckenfraktur ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Schon im Sommer 2015 war er gemeinsam mit seiner Frau in die Diakonie Sophienstraße eingezogen. »Das war schon eine Umstellung«, gesteht Scherzer, der vorher mit der Familie im eigenen Haus lebte und sich als perfekten Hausmann beschreibt. »Es hilft da nur die Flucht nach vorne, man muss das Positive sehen.« 68 Jahre war das Paar verheiratet, bevor Frau Scherzer im Sommer 2018 verstarb.

Zwei ältere Männer sind im Außenbereich der Diakonie Sophienstraße. Ein Mann sitzt im Rollstuhl, der andere steht neben ihm. Hinter den beiden befindet sich eine Bank und eine große Birke.

Willi Scherzer (l.) und Hans Koch

Die beiden Schulfreunde begegneten sich 2018 nach fast 80 Jahren durch Zufall in der Diakonie Sophienstraße wieder.

Nur kurze Zeit später haben sich Willi Scherzer und Hans Koch, die beiden Kumpel aus der Schulzeit, im Café des Pflegeheims wiedererkannt. »Das war kurios«, erzählt Scherzer lachend. »Es waren die Namen, die uns so bekannt vorkamen«, erinnert sich Koch. Der 94-Jährige war erst kurz zuvor ins Betreute Wohnen im Nachbarhaus eingezogen. Dort kann er noch sehr selbstständig leben, aber unter Leuten sein, wenn er Ausflüge des Pflegeheims mitmacht und bei Veranstaltungen teilnimmt. Seine Frau verstarb bereits 2004. Besonders gern geht er draußen um den Block: »Ich laufe, laufe, laufe«, freut er sich, »ich kreise ständig ums Haus«. Man müsse sich ja fit halten, findet er. Seinen Rollator hat er aber immer dabei. Trotz aller körperlicher Einschränkungen sind Willi und Hans gut drauf. Die Schwerhörigkeit störe schon, erklären sie. Musik zu hören, sei aber zum Beispiel kein Problem. Außerdem biete das Pflegeheim wirklich viele tolle Sachen, wie Morgengymnastik, Gedächtnisspiele und abwechslungsreiche Feiern. Außerdem könne man im Café sitzen, Zeitung lesen und sich über Sport, Kultur und Politik austauschen. Ihre Anerkennung für die Mitarbeitenden sei groß.

Hans Koch und Willi Scherzer hatten beide ein bewegtes Leben: Nach der gemeinsamen Zeit in der Volksschule gingen ihre Wege beruflich auseinander. Ihre Ausbildungen als Feinmechaniker und Bauschlosser mussten beide vor der Gesellenprüfung unterbrechen, weil sie zum Arbeitsdienst mussten und kurz darauf zum Wehrdienst eingezogen wurden. Auf Einsätze an der West- und Ostfront folgte amerikanische und russische Kriegsgefangenschaft. Heute wissen sie: »Die ganze Zeit waren wir in der Nähe und wussten es nicht!« Jetzt zählt aber nur noch eins: »Die Hauptsache ist, wir sind angekommen«, so Scherzer. Damit meint er nicht nur seine Heimatstadt Erlangen, sondern auch einen letzten friedlichen Ort, an dem menschliche Wärme herrscht und er eine alte Freundschaft wiedergefunden hat.

 Zur Diakonie Sophienstraße

 


Zuhause im stationären Hospiz Anna Thiel

Einen wahren Klinikmarathon hat die zierliche Frau hinter sich. Ein streuendes Lungenkarzinom machte mehrere Operationen, Bestrahlungen und eine Chemotherapie erforderlich. Nach einer Kur, die gute Erfolge zeigte, ging es ihr plötzlich wieder sehr schlecht: Sie war verwirrt und orientierungslos, konnte nicht mehr richtig aufstehen und sprechen.

Die Untersuchungen ergaben, dass sich Metastasen im Kopf gebildet hatten. »Es ging von einer Klinik zur anderen, zur Reha, in die Kurzzeitpflege, auf die Palliativstation«, erinnert sich Juliane Erhardt. All das habe sie psychisch sehr mitgenommen. Auch für ihre drei Kinder war diese Zeit sehr belastend. »Es war heftig, meine Mutter so zu sehen«, gesteht ihr Sohn Oliver Erhardt-Born, »sie war immer eine Frau, die für alles selbst eine Lösung gefunden hat – und plötzlich war sie so hilflos«. Seine zwei Geschwister und er hätten in dieser Zeit nur wochenweise gedacht. »Es war ein starkes emotionales Auf und Ab«, erklärt der 50-Jährige. »Bevor wir uns fürs Hospiz entschieden hatten, hieß es, sie habe noch maximal zwei Monate.« Doch das alles ist nun fast ein Jahr her.

Zwei FRauen befinden sich in einem Zimmer des stationären Hospitz. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl, die andere steht hinter ihr und hat eine Hand auf die Stuhllehne gelegt.

JULIANE ERHARDT, 81

gemeinsam mit Hospizbegleiterin Edith Radisoglou (stehend) im stationären Hospiz der Diakonie am Ohmplatz.

Jetzt macht sich Juliane Erhardt keine Sorgen mehr. Ohne all die medizinischen Eingriffe gehe es ihr jetzt wieder recht gut, nur das Laufen falle ihr schwer. Lächelnd erinnert sie sich: Im Sommer seien sie eine richtige Clique im Hospiz gewesen, die gemeinsam mit Hospizbegleitern*innen im Konvoi zum Biergarten die Straße runter und in die Stadt gelaufen sei – der eine mit Rollator, die andere im Rollstuhl und so weiter. »Wir waren eine richtig nette Runde und haben viel gelacht«, erzählt sie, »das war wunderschön«. Sowieso sei sie sehr liebevoll aufgenommen worden und die Pflege sei toll. »Man ist sich natürlich sehr nah«, aber Scham habe hier kaum noch Platz. »Die Prioritäten verschieben sich eben.«

Einmal in der Woche wird sie von Edith Radisoglou besucht. »Ich bin durch die Arbeit als Hospizbegleiterin viel gelassener geworden, denn so mancher Aufreger aus dem Alltag wird hier sehr viel kleiner.« Auch der Wert der Gesundheit werde ihr immer mehr bewusst. »Mit Frau Ehrhardt verbindet mich eine sehr herzliche und innige Beziehung«, sagt die 67-Jährige. »Sie ist eine ganz wunderbare Frau.« Sie hätten sofort einen guten Draht zueinander gehabt. Seit einem Jahr engagiert sich Edith Radisoglou im Hospiz. Die ehemalige Lehrerin ist froh, das Pflegepersonal hier unterstützen zu können. Zuzuhören, aufzumuntern, gemeinsam zu lachen, manchmal auch zu weinen und die vielen Lebenserzählungen zu hören mache ihre Arbeit so schön. »Es ist nicht so, dass wir nur mit Sauertopfmiene hier sitzen«, erklärt sie. Die Mutter auch zwischenmenschlich so gut versorgt zu wissen, ist für Oliver Erhardt-Born erleichternd. »Das Hospiz ist für uns eine gute letzte Wegstrecke.« In den höchsten Tönen spricht er über die Arbeit des Hauses. »Ich schätze die Mitarbeiter sehr« betont er, »alle sind sehr liebevoll und zuvorkommend«. So könne auch er »einfach mal loslassen«. Juliane Erhardt weiß: »Hier ist es jetzt zu Ende.« Nachdem die Krankheit sie ängstlich und misstrauisch gemacht hatte, fühle sie sich jetzt endlich wieder wohl.

 Zum Hospiz 

 

Kontakt

Pressesprecherin Sabine Stoll

Sabine Stoll Pressesprecherin, Leiterin Unternehmenskommunikation

Raumerstraße 9
91054 Erlangen

(0911) 35 05 – 154

sabine.stoll@diakonie-erlangen.de

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