Diakonie Magazin 2021/Nr. 1 herunterladen

Eine Frau, ein kleiner junge und ein Mädchen sitzen am Tisch und lächeln sich an. Eine Frau, ein kleiner junge und ein Mädchen sitzen am Tisch und lächeln sich an.

»Sie hat mir eine große Last von den Schultern genommen«, erzählt Yvonne Reuter (Name geändert). Nach einer Operation durfte die 39-Jährige für acht Wochen nicht schwer heben und sollte sich schonen. Ihr jüngerer Sohn war gerade im Krabbelalter.
Familienpflegerin Gertraud Neumeier sprang zur Entlastung ein. »So etwas kann jedem jederzeit passieren.«

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VON PUPPEN UND KEKSEN Daniel Schneider

Claudia Wagner und Anneliese Kienast sitzen zusammen am großen Tisch in Frau Kienasts Wohnung, jede hat eine Tasse Kaffee vor sich, ein Teller mit Keksen steht daneben. Claudia Wagner zündet eine Kerze an und stellt sie in die Mitte des Tisches. »Das ist unser Anfangsritual«, erzählt sie. Sie ist eine von rund 20 Helfer*innen, die in Erlangen, dem Landkreis Erlangen-Höchstadt und Herzogenaurach etwa 60 Menschen mit Demenz betreuen. »Wir haben jedes Mal eine gute Unterhaltung und immer was zu tun«, ergänzt Anneliese Kienast. Für sie vergehen die zweistündigen Besuche wie im Fluge: Nach dem anfänglichen Kaffeeritual singen sie miteinander, lesen Geschichten oder sie sitzen über Brettspielen. »Aber hauptsächlich haben wir viel Spaß und lachen gemeinsam«, fasst die 86-Jährige es lächelnd zusammen.

Eine Frau legt die Hand auf die Schulter einer älteren Dame mit Kuscheltier auf dem Schoß.

Die Ehrenamtliche Claudia Wagner ( l. ) besucht Anneliese Kienast jede Woche.

Anneliese Kienast lebt zusammen mit einer 24-Stunden-Pflegekraft in ihrer Wohnung. Kienasts Tochter Ute ist berufstätig und kann die Mutter deshalb nicht so eng umsorgen, wie diese es bräuchte. Ute ist sehr froh, dass sie für ihre Mutter den Besuchsdienst der Diakonie als regelmäßige Hilfe nutzen kann. Denn es fehlen auch andere Bekannte oder Angehörige aus dem persönlichen Umfeld, die das übernehmen könnten. »Es ist berührend, wie viel Dankbarkeit ich hier erfahre«, sagt Claudia Wagner über ihre Betreuungsarbeit. Jedes Mal gehe sie nach den zwei Stunden mit Anneliese Kienast zufrieden nach Hause. Zur Demenzbetreuung der Diakonie kam sie durch zwei Freundinnen, die beide dort aktiv waren.

Das Schöne an der Tätigkeit sei, dass man all seine Talente einbringen kann, erklärt sie. Da sie nebenher Gesangsunterricht nimmt, hat sie Anneliese Kienast Atemübungen gezeigt und sie zum gemeinsamen Singen motiviert. Auch ihre Fertigkeiten als Clownin für Heimbewohner*innen bereichern die Betreuung: Ein Beispiel: Immer, wenn Claudia Wagner Anneliese Kienast besucht, hat sie Ronny
dabei, ihre große Handpuppe, die Anneliese Kienast jedes Mal liebevoll umarmt. »Er ist ganz schön frech und vorlaut«, beschreibt Frau Kienast das Miteinander mit Ronny. Durch seine naseweise Art entstehen viele lustige Wortspielereien. »Deshalb ist er auch von der Maskenpflicht befreit«, fügt Frau Kienast schmunzelnd hinzu.

Dass die Chemie zwischen den beiden Frauen stimmt, merkt man bei jeder Geste. Zum Abschluss holt Claudia Wagner ein kleines Holzkästchen, ihre »Schatzkiste«, hervor. Muscheln, bunte Steine oder jahreszeitgemäße Deko-Teile müssen immer ergänzt werden. Erwartungsvoll öffnet Anneliese Kienast den Deckel und nimmt sich einen kleinen Igel heraus. Das lege sie jedes Mal in ein Schälchen auf ihrem Nachttisch, verrät sie. Solche strukturgebenden Rituale hat Claudia Wagner beim Vorbereitungskurs der Diakonie gelernt. »Wir bekommen Tipps, wie wir alle Sinne ansprechen können«, berichtet
sie über die monatlich stattfindenden Treffen der Demenz-helfer*innen. Dies ermögliche es, möglichst individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen.

Am Ende geht Anneliese Kienast trotz ihrer Gehbeschwerden immer auf den Balkon, um ihrer Helferin hinterherzuwinken und ihr ein »Fahr vorsichtig!« mit auf den Weg zu geben. »Die Zuwendung, die man für sein Engagement erhält, ist einfach rührend«, bilanziert Claudia Wagner.

Zur Demenzbetreuung

 

Beratungsstellen bieten Hilfe

Schulung


ANKER FÜR ALLEINERZIEHENDE Daniel Schneider

»Die Kinder fragen immer, wann das Wochenende denn wieder stattfindet«, erzählt Müller* am Telefon. Nicht nur den Kindern mache diese Auszeit wahnsinnig viel Spaß. Auch für sie sei das Angebot für alleinerziehende Mütter und Väter enorm entlastend. Hier könne man andere Alleinerziehende treffen und sich frei austauschen. Denn manche Dinge verstünden selbst die besten Freunde oft nicht, wenn sie sich in einer intakten Beziehung befänden. In solchen Situationen helfe es ungemein, Menschen mit den gleichen Lebenshintergründen zu begegnen, erläutert die junge Frau.

Bei den Seminaren lerne man andere kennen, denen es genauso ginge, wie einem selbst und könne so von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren. Zum Beispiel mit der ständig präsenten Aufgabe, tausend Dinge zu tun, ohne eine zweite Person neben sich zu haben, die helfe. Morgens die Kinder fertigmachen und zur Schule bringen, um im Anschluss selbst in die Arbeit zu gehen. Mittags die Kinder wieder einsammeln, das Essen kochen, die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen und die Freizeitaktivitäten der Kinder fördern. Zeit finden, den Haushalt zu machen, das Abendessen herrichten und die Kinder ins Bett bringen. Dann ist man selbst müde und erschöpft. »Als Alleinerziehende hast du kaum Auszeit für dich selbst«, bilanziert sie.

Eine glückliche Frau hat einen strahlenden Jungen auf dem Arm liebevoll umschlungen.

NICHT NUR FÜR DIE ELTERN

ist eine Trennung meist schmerzhaft und anstrengend, auch die Kinder leiden darunter. Da hilft oft nur, ihnen Aufmerksamkeit, Liebe und Fürsorge zu schenken – mehr als normalerweise. Seminar-Wochenenden speziell für Alleinerziehende oder Projektwochen der Diakonie tun der ganzen Familie gut.

Für Alleinerziehende gäbe es kein »Übernimm bitte Du mal«, »Ich gehe heute früher ins Bett« oder »Ich treffe mich noch mit Freunden«. Abends einmal mit Freundinnen wegzugehen, sei zum Beispiel eine ständige Abwägungssache. »Gehe ich mit ins Kino, zahle ich doppelt: für den Film und den Babysitter«, verdeutlicht Müller* das Problem, auch einmal Zeit für sich zu finden. So müsse man immer alleine stark und für die Kinder da sein. Meist seien die negativen Erlebnisse der zerbrochenen Beziehung ein Grund, dass die Kinder stattdessen noch mehr Aufmerksamkeit, Liebe und Fürsorge bräuchten. Auch gestalteten sich die Umgangszeiten zwischen den Elternteilen oft schwierig, meint Müller*. Wenn der Vater zum Beispiel etwas erlaube, was bei der Mutter verboten ist. »Da kommt es oft vor, dass die Kinder durcheinander sind, wenn sie wieder zuhause sind«, beschreibt sie den Zwiespalt. Diese Überforderung äußere sich manchmal auch in aggressivem Verhalten. Vor allem, wenn dann auch noch nicht geklärte Spannungen zwischen den Elternteilen herrschen, leide der Nachwuchs darunter sehr. Da sei es wichtig, auf die Kinder einzugehen.

Doch Regina Müller* hat auch sehen und schätzen gelernt, was sie jeden Tag leistet: »Mütter sind wie Löwen – wenn es darauf ankommt, entwickeln wir ungeahnte Kräfte«, stellt Müller* fest. Man müsse nur sein Ziel kennen und an sich selbst glauben, ist sie sich sicher. Nicht nur dabei helfe das Alleinerziehenden-Seminar der KASA ganz deutlich. »Die Themen sind immer sehr lebenspraktisch«, sagt sie. »Kommunikation«,  »Pubertät«, »Umgang mit Stress« oder »Wie finde ich innere Kraft« zählt sie beispielhaft auf. Mit alledem habe sie sich bereits im Seminar auseinandergesetzt und dabei viel Hilfreiches für ihren persönlichen Alltag mitgenommen. Doch nicht nur der Inhalt, sondern das ganze Drumherum der zweitägigen Seminare sei ein Gewinn. »Wir drei genießen diese Zeit und fiebern dem nächsten Termin regelrecht entgegen«, beschreibt Müller* die Tage mit Unterkunft, Vollverpflegung, Kinderbetreuung und Seminareinheiten. Hier habe sie auch neue Freundinnen gefunden. »Wir sind dann gemeinsam in den Urlaub gefahren«, erzählt sie, was nicht nur Spaß gemacht habe, sondern auch ganz praktisch Vorteile gehabt habe: Beim Eintritt in einen Freizeitpark zum Beispiel hätten die beiden Mütter den Familientarif in Anspruch nehmen können und dadurch etwas weniger zahlen müssen.

Auch im Rückblick ist die Trennung von ihrem Partner für Regina Müller* noch immer der richtige Weg – auch wenn das kein leichter ist. In der Beziehung gab es oft kräftezehrenden Streit, alleine dagegen fand sie später eine innere Ruhe für sich selbst. Dass sie sich nach der Trennung ein Zuhause in Ruhe und Harmonie schaffen konnte, habe ihr geholfen, sich voll und ganz auf ihre Kinder zu konzentrieren. »Ein gutes Netzwerk ist wichtig«, betont Müller*. Etwa, wenn die Grundschule schon früher aus ist, sie selbst aber noch in der Arbeit bleiben muss. »Die Kinder gehen dann mit zu Klassenkameraden nach Hause«, beschreibt sie ihre Lösung. Aber auch ihre eigene Mutter gehöre zu diesem Unterstützungskreis. Sie wohne zwar nicht vor Ort, sei aber jederzeit telefonisch erreichbar. »Meine Mutter hört mir immer zu, wenn mir etwas auf der Seele brennt«, sagt Müller* dankbar. So könne sie sich auch mal Erziehungstipps von einer Vertrauten holen, auch wenn sie zuhause allein die Verantwortung für ihre Kinder trage. Oder ihrem Kummer und Ärger Luft machen – und natürlich: Schöne Momente teilen.

Müller* sagt selbst, es fehle zuhause oft an Zeit und Ruhe für solche Telefonate. Gerade deswegen aber ist sie froh, dass die Wochenend-Seminare der KASA eine Ruheinsel bildeten und wie ein Rettungsanker in der stürmischen See des Alltags seien.

*Name geändert

Zur Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA)​​​​​​​

 

Online-Seminar


IM EINSATZ FÜR FAMILIEN Anna Thiel

Gertraud Neumeier ist Familienpflegerin bei der Diakonie Erlangen. »Wenn jemand plötzlich körperlich oder psychisch krank wird, ins Krankenhaus muss oder wegen einer Risikoschwangerschaft nicht voll einsatzfähig ist, entlasten wir«, erklärt sie. Der Vorteil des Angebotes sei, dass die Familien in ihrer gewohnten Umgebung, ihrem Zuhause bleiben könnten.

Eine Frau, ein kleiner Junge und ein Mädchen sitzen zusammen am Esstisch und lächeln sich an.

MEHR ALS EINE HAUSHALTSHILFE

Familienpfleger*innen übernehmen meist vielfältige Aufgaben, damit der Familienalltag weiter rund laufen kann. Fachschulen für Familienpflege bilden sie aus.

Wenn Mama ausfällt

»Sie hat mir eine große Last von den Schultern genommen«, erzählt Yvonne Reuter *. Nach einer Operation durfte die 39-Jährige für acht Wochen nicht schwer heben und sollte sich schonen. Ihr jüngerer Sohn war gerade im Krabbelalter. »Ich konnte ihn nicht hochheben und im Haushalt blieb viel liegen, weil ich anstrengendere Arbeiten nicht selbst machen konnte«, erinnert sich die zweifache Mutter. Ihr Mann habe zwar übernommen, so gut es ging, neben dem Beruf seien die Kapazitäten aber begrenzt. Für mehrere Wochen erhielt die Familie Reuter * vormittags Unterstützung von einer Familienpflegerin. »Es war auch eine Hilfe für meinen Mann, der so wieder normal arbeiten gehen konnte«, so Yvonne Reuter *. Familie vor Ort, die hätte einspringen können, hat das Paar nicht. Eine fremde Person in den privaten Bereich zu lassen, sei aber kein Problem gewesen: »Gertraud war sehr herzlich und mir auf Anhieb sympathisch«, erinnert sich die Biologin in Elternzeit, »vor allem ist sie sehr schön und umsichtig mit dem Kleinen umgegangen«.

Eine Frau läuft mit einem kleinen Jungen an der Hand die Treppe runter.

HILFE ANNEHMEN

ist für viele nicht leicht. Von den Angeboten zu wissen, ist dafür die Voraussetzung. Wenn Mütter »ausfallen«, gerät der funktionierende Alltag oft schnell aus den Fugen. Großteils sind es auch Frauen, die als Familienpflegerin einspringen, hier eine Kollegin von Gertraud Neumeier.

Kaum bekannt, kaum finanziert

»In persönlichen Krisen können sich Familien oft nicht mehr selbst helfen«, weiß Familienpflegerin Gertraud Neumeier. »So etwas kann jedem jederzeit passieren.« Ihr Beruf sei dennoch kaum bekannt, bedauert Neumeier: »Selbst Ärzte oder Fachleute aus anderen helfenden Berufen kennen das Angebot oft nicht und können so im Einzelfall nicht darauf hinweisen.«

Auch Yvonne Reuter* erfuhr erst bei der Nachuntersuchung in der Klinik von der Möglichkeit, Familienpflege zu beantragen. »Bei dem Begriff hätte ich an sozial schwache Familien gedacht und nicht an meine eigene Situation«, bemerkt sie. Hätte sie aber früher davon gewusst, hätte sie anders planen können. »Jetzt erzähle ich jedem davon«, sagt sie und lacht. Es sei »einfach beruhigend zu wissen, dass da eine Hilfe ist, auf die man sich verlassen kann, wenn mal was ist im Leben.«

30 bis 40 Familien werden auf diese Weise jährlich von der Diakonie Erlangen unterstützt. Die Kosten tragen zum Teil Kranken- oder Rentenkassen, Jugend- oder Sozialämter sowie Beihilfestellen. Ohne Zuschüsse der kirchlichen Träger, von Land und Kommunen gäbe es die Familienpflege in Bayern aber nicht. »Der offizielle Begriff im Sozialgesetzbuch lautet ›Haushaltshilfe‹«, erklärt Felix Krauß, Leiter der Familienpflege. Viele würden daher nur an »Putzkraft« denken, Familienpflege aber leiste viel mehr: Sie kümmert sich z. B. auch darum, dass die Kinder versorgt sind, hilft bei den Hausaufgaben, pflegt Neugeborene, bringt die Kleinen zum Kindergarten und holt sie wieder ab.

* Name geändert

 Zur Familienpflege

 


Kontakt

Pressesprecherin Sabine Stoll

Sabine Stoll Pressesprecherin, Leiterin Unternehmenskommunikation

Raumerstraße 9
91054 Erlangen

(0911) 35 05 – 154

sabine.stoll@diakonie-erlangen.de

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