Eine Chance für alle Seiten
Der junge Mann will aber nicht abhängig von staatlicher Unterstützung und noch dazu untätig sein. »Am liebsten würde ich ganz selbstständig für mich sorgen und keine Last für andere sein«, sagt er. »Mohammed ist ein Musterbeispiel«, betont auch Bendrich, »eine Duldung, wie sie derzeit besteht, ist für niemanden gut.« Gerade in Handwerksbetrieben fehlen Arbeitskräfte und Stellen bleiben unbesetzt. Das, was Mohammed gelernt hat, gilt als »Mangelberuf« und wird landesweit gesucht. Er wird am Bau dringend benötigt. Um ihn doch noch in den Job zu bringen, läuft nun ein Härtefallantrag. Im Herbst hat er die Deutschprüfung abgelegt, die für eine richtige Aufenthaltserlaubnis unerlässlich ist. »Wir haben hier einen motivierten jungen Mann, der anpacken kann und will – das ist nicht nur für ihn eine Chance, sondern auch für unser Land.«
Hoffnung in die Ampel
Hoffnung setzt Alexandra Bendrich auch in die neue Bundesregierung: »Der Koalitionsvertrag verspricht einige Neuerungen, die wir aus unserer fachlichen und menschlichen Erfahrung nur befürworten können.« So zum Beispiel das Vorhaben, dass Geduldete in Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, um sowohl den Lehrlingen als auch den Betrieben mehr Sicherheit zu geben. Aber auch, dass jede/r Geflüchtete*r von Anfang an einen Integrationskurs besuchen kann. »Das wäre eine riesige Hilfe, weil gerade die Sprache ja eine Grundvoraussetzung für fast alles im Leben ist«, so Bendrich. Sei es ein Arztbesuch, ein Gespräch mit Nachbarn*innen oder die Suche nach einem Job. Fast genauso wichtig sei es, Arbeitsverbote ganz abzuschaffen. Denn am Arbeitsplatz passiere Integration praktisch von ganz alleine. »Und eigenes Geld zu verdienen ermöglicht erst echte Teilhabe.« Das, was Asylsuchenden gesetzlich an monatlichen Sozialleistungen zusteht, deckt nicht einmal das ab, was als Existenzminimum definiert und als »Hartz IV« bekannt ist.
Besonders häufig und besonders gravierend ist aus Bendrichs Sicht der Status einer Duldung, welcher nicht selten über lange Zeiträume immer wieder verlängert werde. »Da kommt man normalerweise nicht mehr so leicht raus«. Darum begrüßt die Sozialpädagogin das neue »Chancen-Aufenthaltsrecht«, welches an die Stelle von »Kettenduldungen« treten soll: Personen, die zum Stichtag am 1. Januar 2022 bereits seit fünf Jahren in Deutschland leben, sollen laut Koalitionsvertrag eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können. In dieser Zeit müssen sie die Voraussetzungen für ein Bleiberecht erfüllen, z.B. die Sicherung des Lebensunterhalts und den Identitätsnachweis. In bestimmten Ländern, wie Eritrea und Somalia, sei es erfahrungsgemäß aber enorm schwierig, an offizielle Papiere zu kommen, um die eigene Identität nachzuweisen, erklärt Bendrich. Darum befürwortet sie auch das Vorhaben der Regierung, eine Versicherung an Eides statt abgeben zu können, wenn eine Identitätsklärung anders nicht möglich ist. »Die geplanten Änderungen müssen jetzt rechtlich schleunigst umgesetzt werden«, fordert Alexandra Bendrich, »damit sich endlich konkret etwas an der Situation der Menschen verbessert«. Sie betont auch: »Deutschland ist auf sie angewiesen.« Denn alleine der Bedarf an Arbeitskräften in der Pflege und im Handwerk könne nicht mehr ohne Migration gedeckt werden.
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