Seit 25 Jahren sind Pflegebedürftige im Seniorenheim der Diakonie am Ohmplatz gut aufgehoben. Genauso lange gibt es das benachbarte Hospiz, in dem Menschen mit viel Empathie beim Sterben begleitet werden. Beide Einrichtungen wären nichts ohne ihre engagierten Mitarbeitenden. Wir treffen zwei von ihnen: Salma Twil (26) arbeitet seit fast fünf Jahren als Altenpflegerin in der Diakonie, Sabine Kessler (60) ist dem Hospiz seit dessen Start treu.
Frau Kessler, würden Sie gerne für eine Woche mit Frau Twil den Arbeitsplatz tauschen?
Kessler: Das habe ich bereits. Letztes Jahr war nicht das erste Mal, dass ich bei einem personellen Notstand im Seniorenheim für einige Tage eingesprungen bin. Sich gleich mit doppelt so vielen Namen wie im Hospiz plus den Besonderheiten der Menschen auseinanderzusetzen, ist schon eine Herausforderung. Es ist ein ganz anderes Arbeiten als bei uns, aber es war auch schön und interessant.
Und wie sieht es mit Ihnen aus, Frau Twil?
Twil: Das Interesse ist da, aber ich bin dafür wohl zu sensibel. Ich sehe ja öfters auch junge Menschen auf der Terrasse des Hospiz‘ sitzen. Sie wirken glücklich, aber die Vorstellung, dass sie bald sterben müssen, macht mich persönlich traurig. Zugleich habe ich größten Respekt vor der Arbeit von Frau Kessler und ihren Kolleginnen und Kollegen.
Sie bleiben also lieber in der Diakonie am Ohmplatz. Was ist das Schönste dort für Sie?
Twil: Die Einrichtung ist mein zweites Zuhause. Ich verbringe gerne Zeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Arbeit ist weniger oberflächlich als zum Beispiel in einem Krankenhaus, man ist sich näher.
Und welche positiven Erlebnisse prägen die Hospizarbeit?
Kessler: Bei uns ist man nah und intensiv am Menschen. Für mich ist es ein sehr bereicherndes Gefühl, mit viel Empathie eine gute und vertrauensvolle Verbindung herzustellen. Wir können mit dem gesamten Team und den Ärzten auch zum Teil stark belastende Symptome lindern. Es macht einfach Freude zu sehen, wie Gäste und ihre Angehörigen erleichtert sind und wieder aufleben.
Sind das die Gründe, warum Sie sich für die Arbeit in einem Hospiz entschieden haben?
Kessler: Ja. Und weil ich nach neun Jahren in der Notaufnahme und Intensivstation »normales« Sterben erleben wollte. Ich hatte im Klinikum oft das Gefühl, dass man die Patienten nicht in Ruhe gehen lässt. Es wurde natürlich auch häufig reanimiert.
Frau Twil, Sie haben die Altenpflege gewählt. Warum?
Twil: Ich wusste bereits mit 16 Jahren, dass ich in die Pflege möchte. Nach Praktika in verschiedenen Bereichen, hat mir die Altenpflege am besten gefallen.
Sie wirken sehr reflektiert. Trauen Sie sich in einem Satz einzuschätzen, welches die wichtigste Aufgabe Ihres Gegenübers ist?
Twil: Frau Kessler lindert das Leid von Sterbenden und deren Angehörigen.
Und nun bitte Sie, Frau Kessler …
Kessler: Frau Twil versorgt ihre Bewohnerinnen und Bewohner bestmöglich und gibt ihnen das Gefühl, nicht ganz alleine zu sein.
Sie sind in gewisser Weise angekommen. Sind Sie selbst auch angekommen, also beruflich?
Kessler: Schon lange! Ich arbeite seit seiner Gründung im Hospiz. Das erste Jahr musste ich mich erst an das Umfeld und die hospizliche Veränderung gewöhnen. So wollte sich zum Beispiel damals eine Dame trotz Aufklärung partout nicht lagern lassen. Sie so zu belassen, war eine große Umstellung. Das kannte ich aus dem Klinikum nicht. Unsere Gäste dürfen selbstbestimmt leben, wenn sie sich ihrer Situation bewusst sind.
Fühlen Sie sich ebenfalls angekommen, Frau Twil?
Twil: Ja – auch wenn ich noch Einiges vorhabe. Seit zwei Jahren leite ich jetzt einen Wohnbereich. Mit meinen Aufgaben und meinem Team fühle ich mich sehr wohl. Trotzdem möchte ich mich zusätzlich weiterbilden. Die Diakonie Erlangen unterstützt mich auf diesem Weg.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Wunsch für Ihren Beruf frei …
Kessler: … weniger Bürokratie am PC wäre schön.
Twil: Ich wünsche mir mehr Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner. Und dass jungen Menschen vermittelt wird, dass meine Arbeit viel mehr ist als Windeln wechseln. Die Pflege von Menschen ist etwas Schönes!
Interviews: Alexander Reindl