Die Kunst des Lebens – Wilhelm Gerlach erzählt
Als Leiterin des Begleitenden Dienstes habe ich bereits viele Projekte gemeinsam mit Wilhelm Gerlach umgesetzt. Nun habe ich ihn gebeten, uns aus seinem bewegenden Leben zu erzählen:
»Ich bin am 27. April 1937 in Augsburg geboren und wurde mit etwa zwei Jahren vor der Türe eines Waisenhauses abgelegt und bin zunächst dort aufgewachsen. Zweimal wurde ich adoptiert, leider aber immer schlecht behandelt, geschlagen und als billige Arbeitskraft ausgenutzt. Deswegen bin ich dort weggelaufen. Nach dem zweiten Mal wurde ich in eine Anstalt für schwer Erziehbare gebracht und habe dort bis zur Lehre gelebt. Natürlich habe ich später nach meiner Familie gesucht. Meine leiblichen Eltern sind in einem Konzentrationslager ums Leben gekommen.
Es gab noch weitere Geschwister, drei sind mir bekannt, die anderen verschollen. Mein Bruder Anton vermittelte mir eine Lehre als Schriftenmaler. Dort hatte ich es auch nicht leicht, habe aber ein halbes Jahr als Geselle gearbeitet. Anschließend ging ich zu Merkur als Grafiker und Schriftenmaler, war in vielen Städten beschäftigt und arbeitete Mitarbeiter ein.
Irgendwann bekam ich Fernweh und fasste kurzfristig den Entschluss alles hinter mir zu lassen. Ich fuhr mit einem alten Fahrrad Richtung Brenner, Oberitalien, Jugoslawien, über die Berge nach Griechenland, mit keinem direkten Ziel, einfach Richtung Süden. Später per Anhalter nach Athen, Piräus usw. Mit einem Boot, das ich mitgebaut hatte, segelte ich die Nordküste entlang. Danach war ich erst in der Türkei und in Syrien, wurde dort von Beduinen eingeladen und habe dann ein Jahr im Kiebutz gelebt, wo ich als Fischer am See Genezareth und auf Bananenfelder gearbeitet habe.
Es würde mehrere Seiten füllen, wenn ich alles erzählen würde, was ich noch so alles erlebt habe. Nach meiner Rückkehr habe ich in Mittenwald gelebt, war verheiratet, bin geschieden und habe eine Tochter, die in Hamburg lebt und mich gelegentlich besucht.«
Die Mitarbeitenden des Begleitenden Dienstes bedanken sich ganz herzlich für das Engagement von Wilhelm Gerlach zum Beispiel beim jahreszeitlichen Dekorieren der Cafeteria und noch vieler weiterer Projekte.
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